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Elterngeldähnliche Leistungen für Pflegeeltern
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Die Zahl der Pflegekinder steigt. Jugendämter suchen Menschen, die Kinder in ihre Familien aufnehmen wollen. Es gibt große Werbungskampagnen - und trotzdem nicht ausreichende Interessierte. Während es früher selbstverständlich war, dass (meist die Mutter) ihre Berufstätigkeit aufgabe oder zumindest einschränkte, wenn ein Pflegekind aufgenommen wurde, ist dies heutzutage fast unmöglich. Die Paare und Familien sind auf zwei Einkommen angewiesen und können und wollen nicht einfach eins aufgeben. Wenn also um der Integration eines Pflegekindes willen, Pflegeeltern die ihnen zustehende Elternzeit nutzen wollen, haben sie das Problem, dass Sie keinen Anspruch auf Elterngeld haben und somit einfach ein wesentlicher Teil ihres bisherigen Einkommens abhanden kommt. Das Pflegegeld ist eine Unterhaltszahlung für das Kind und kein Ersatz für fehlendes Einkommen der Pflegeeltern. Dies ist in der letzten Zeit einigen Jugendämtern sehr bewußt geworden. Sie haben gelernt, dass sich die Zeiten geändert haben und neue Pflegeeltern gewonnen werden können, wenn man ihre tatsächliche Lebenssituation sieht und ihnen entsprechende Angebote gemacht werden.
Der Boerdekreis, Northeim, Braunschweig und sicherlich noch einige Kommunen mehr haben sich zu elterngeldgleichen Zahlungen entschieden. Hannover macht sehr deutlich, dass diese Zahlungen unabhängig vom Pflegegeld gesehen werden und jeder Pflegefamilie im ersten Jahr nach der Aufnahme zusteht, wenn Elternzeit genommen wird. Manche Jugendämter vermischen diese Leistungen mit den Leistungen des Pflegegeldes und vermindern die Zahlung um einen Anteil der Kosten der Erziehung im Pflegegeld. Dies halte ich für problematisch, weil hier zwei Grundgedanken gemischt werden. Die eine Leistung (Pflegegeld) ist für das Pflegekind, die elterngeldgleiche Leistung ist für die Pflegeeltern, damit sie Elternzeit nehmen können ohne allzuviel Einkommensverlust zu haben.
Erklärung Region Hannover
Der Pflegekinderdienst der Region Hannover sucht in seinem Zuständigkeitsbereich regelmäßig Pflegeeltern für Kinder, die nicht in ihren Familien aufwachsen können.Doch gestaltet sich die Suche nach geeigneten Paaren oder Familien zunehmend schwieriger: Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber sinkt kontinuierlich, während gleichzeitig der Bedarf an Pflegefamilien – besonders für kleine Kinder im Alter von null bis zu sechs Jahren – steigt. Ein wesentlicher Faktor für den Rückgang der meist voll berufstätigen Interessenten sind die erheblichen finanziellen Einbußen im ersten Jahr der Aufnahme, wenn Pflegeeltern Elternzeit nehmen.
Denn bisher gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf Elterngeld
Die Region Hannover will daher künftig Pflegeeltern im ersten Jahr der Aufnahme mit elterngeldähnlichen Leistungen unterstützen.
Dr. Andrea Hanke – Dezernentin Soziale Infrastruktur der Region Hannover:
"Grundsätzlich erhalten Pflegepersonen natürlich Pflegegeld für den Lebensunterhalt des Pflegekindes. Doch nehmen sie Elternzeit im ersten Jahr, haben sie bisher keinen gesetzlichen Anspruch auf Elterngeld in dieser Zeit. Das schreckt viele geeignete Paare und Familien ab, da sie mit nur einem Einkommen nicht über die Runden kommen. Diese Hürde wollen wir potenziellen Pflegeeltern nehmen und die gesetzliche Lücke überbrücken", so Dr. Andrea Hanke, Dezernentin für Soziale Infrastruktur der Region Hannover. "Denn gerade in dem ersten Jahr ist es wichtig, genug Kraft und Zeit für die Kinder zu haben, die in der Regel bisher in einem instabilem, oft vernachlässigenden Umfeld aufgewachsen sind."
So sollen alle Vollzeitpflegepersonen, die nach Aufnahme eines Pflegekindes ihre Erwerbstätigkeit in den ersten sechs bis zwölf Monaten vollständig ruhen lassen, künftig 800 Euro monatlich von der Region Hannover erhalten, bis zu einem Jahr lang. "Grundsätzlich ist es für alle Kinder besonders in dem Alter bis zu sechs Jahren für die Entwicklung sehr wichtig, in einem familiären Umfeld aufzuwachsen. Wir würden uns wünschen, auf eine große Anzahl unterschiedlichster Familien zurückgreifen zu können, um eine möglichst passende Familie für die jeweiligen Kinder zu finden", unterstreicht Claudia Weigel, Leiterin des Team Pflegekinder und Adoption der Region Hannover. "Wir sind immer auf der Suche nach geeigneten Pflegepersonen." So gab es im Jahr 2017 lediglich vier Bewerberpaare aus den 16 regionsangehörigen Kommunen, in denen die Region Jugendhilfeträgerin ist, in 2018 waren es fünf. Dem gegenüber stehen durchschnittlich 15 Vermittlungsanfragen pro Jahr.
Das Modellprojekt der elterngeldähnlichen Sonderleistungen
ist zunächst auf zwei Jahre angelegt und als Leistung zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen eingeordnet (§ 39 SGB VIII). Am Donnerstag, 5. September 2019, gab der Jugendhilfeausschuss grünes Licht, die Einführung der Sonderleistungen beschloss die Regionsversammlung am 24. September 2019.