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Verbleib oder Rückführung von Pflegekindern
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Aufgrund von Überforderung des Vaters wurden die damals drei Jahre alten Zwillinge auf seinen Wunsch in einer Pflegefamilie untergebracht. Es gab wöchentliche Besuchskontakte zwischen Vater und den Kindern, die von der Umgangsbegleiterin positiv bewertet wurden. Nach zwei Jahren wollte der Vater eine Rückkehr der Kinder in seinen Haushalt und nahm den Antrag auf § 33 Hilfe zur Erziehung in einer Pflegefamilie zurück. Das Jugendamt sah eine Kindeswohlgefährdung und stellte beim Familiengericht einen Antrag auf dauerhafte Unterbringung der Kinder in der Pflegefamilie. Das Familiengericht entschied für einen Verbleib der Kinder und der Vater ging in Beschwerde. Das OLG bestellte ein Gutachten, es erfolgten Anhörungen und dann erließ das OLG den Beschluss auf dauerhaften Verbleib und schrieb dazu: " Die für Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB erforderliche Kindeswohlgefährdung liege vor. Ausweislich des Sachverständigengutachtens bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder bei einem Wechsel in den Haushalt des Beschwerdeführers psychische Schäden mit Krankheitswert erlitten". Darüber hinaus regelte das OLG neue Besuchskontakte.
Der Vater ging nun mit einer Verfassungsbeschwerde vor das Bundesverfassungsgericht. Obwohl das BVerfG die Beschwerde aufgrund von Formfehlern ablehnte, formulierte das Gericht deutliche Zweifel an der Entscheidung des OLG. Es sei bspw. zu schnell auf eine Kindeswohlgefährdung durch die Trennung von den bisherigen Bezugspersonen geschlossen worden, es sei nicht ausreichend beachtet worden, dass die Herausnahme der Kinder nicht auf eine missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, sondern auf unverschuldetes Elternversagen zurückzuführen war und die Spannungen zwischen Eltern und Pflegeeltern seien vor allem zulasten des Vaters gewertet worden.
Aus dem Beschluss des BVerfG:
Die Trennung des Kindes von seinen Eltern darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aufrechterhalten werden. An die Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Trennung sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 Satz 1 BGB bei der Wegnahme des Kindes nicht vorlagen. Strengere Anforderungen gelten auch dann, wenn die ursprünglich durch § 1666 BGB begründete Trennung des Kindes von seinen Eltern nicht auf einer missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge, sondern auf einem unverschuldeten Elternversagen beruhte . Die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verschärfen sich zudem, wenn die Eltern (mittlerweile) grundsätzlich als erziehungsgeeignet anzusehen sind und den Kindern in deren Haushalt für sich genommen keine nachhaltige Gefahr droht, sondern die Kindeswohlgefährdung gerade aus den spezifischen Belastungen einer Rückführung resultiert.
Es ist wegen des Erforderlichkeitsgebots der Verhältnismäßigkeit insoweit Sache des Staates, eine Trennung der Kinder von ihren Eltern nach Möglichkeit durch helfende und unterstützende Maßnahmen zu vermeiden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, Rn. 33). Ob dem hier im Hinblick auf die Möglichkeiten der Rückführung der Kinder in den Haushalt des Beschwerdeführers hinreichend nachgekommen wurde, kann wegen der unterbliebenen Vorlage der Einschätzungen und Stellungnahmen des Jugendamtes, der Umgangsbegleiterinnen und der Verfahrensbeiständin allerdings nicht zuverlässig beurteilt werden.
Es wird zukünftig darauf ankommen, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, die von den Fachgerichten festgestellten Spannungen zwischen dem Beschwerdeführer und den Pflegeeltern so zu vermindern, dass die Möglichkeit einer Rückkehr der Kinder zum Beschwerdeführer ohne Kindeswohlgefährdung eröffnet wird.